«Wir haben die Genetik des Bulli in unsere Zeit übertragen»
Als Leiter Exterieur Design hat Marco Pavone bei der Entstehung des ID. Buzz eine bedeutende Rolle eingenommen. Was den Charakter des vollelektrischen Busses einzigartig macht und weshalb ihn Skateboards mehr inspirieren als Autos, erzählt er im Interview.
Herr Pavone, welches war die grösste Herausforderung beim Gestalten des neuen ID. Buzz?
Der ID. Buzz ist die Reinterpretation einer Ikone. Das Wichtigste war, die Genetik des Bulli in unsere Zeit zu übertragen – und trotzdem etwas Neues zu schaffen, das es so vorher noch nicht gab. Ein Auto wie den ID. Buzz zu konstruieren, ist damit wohl die grösste Herausforderung an sich.
Und haben Sie die Herausforderung erfüllt?
Wir haben die Genetik des T1 in eine Ära übersetzt, die durch Elektromobilität und Nachhaltigkeit geprägt ist, ohne den Charakter, der den Bulli zu seiner Zeit und bis heute ausmacht, zu verlieren. Wenn ich den ID. Buzz heute sehe, kann ich sagen: Wow, das haben wir perfekt hinbekommen. Wir sind sehr stolz auf das Auto.
Was zeichnet das Design des ID. Buzz aus?
Die Form des ID. Buzz ist sehr einfach und klar, dabei gleichzeitig sehr stark. Sein Design ist zeitlos, nachhaltig und dabei extrem funktional – das macht ihn in seinem Charakter einmalig.
Wie läuft die Design-Entstehungsgeschichte eines Fahrzeugs wie des ID. Buzz konkret ab?
Wir starten immer mit einer Skizze, um die ersten Ideen und Proportionen zu definieren. Daraufhin folgt ein intensiver Prozess mit diversen Meilensteinen. Gemeinsam mit den verschiedensten Abteilungen, wie etwa der technischen Entwicklung oder der Produktion, werden Entscheidungen getroffen und das Fahrzeug von einem groben Konzept zu einem technisch und gestalterisch ausgereiften Modell entwickelt. Bis zum letzten Meilenstein, dem «Design Freeze», begleiten wir unsere Produkte sehr eng, bevor wir sie dann in die finale Produktion entlassen. Der Design-Entwicklungsprozess ist damit abgeschlossen und wir sehen unsere Werke meist erst zu Präsentationen oder zur Weltpremiere wieder.
Was ist anspruchsvoller: eine komplett neue Fahrzeugbaureihe auf einem leeren Blatt zu kreieren oder eine bestehende weiterzuentwickeln?
Beide Aufgaben haben ihren Reiz. Unser Ziel ist jedoch in beiden Fällen identisch: Das Design soll ankommen und die Menschen ansprechen, eine perfekte Symbiose aus Funktion und Ästhetik bilden. Der ID. Buzz steht exemplarisch für jene Werte, an denen wir uns orientieren: zeitlos, innovativ, logisch und intuitiv, sinnlich sowie sympathisch – einfach nahe an den Menschen!
Wie geht man als Kreativer damit um, wenn ein Entwurf zurückgewiesen wird?
Einen Schritt zurückzutreten gehört genauso dazu, wie danach wieder zwei nach vorne zu machen. Einen «Volkswagen» zu erschaffen, der, wie der Name schon sagt, für ganz viele Menschen gemacht ist, bildet eine Herausforderung, der wir uns mit grosser Begeisterung jeden Tag stellen.
Sie sind Brasilianer und leiten das Exterieur Design bei Volkswagen in Deutschland. Ist Ihr ganzes Team so international? Und kommen Sie selbst überhaupt noch zum Gestalten?
Unser Exterieur-Design-Team bei Volkswagen zählt rund 500 Personen und ist wirklich großartig! Sehr jung und sehr gemischt, aus Menschen vieler Nationalitäten, Kulturen und verschiedener Meinungen bestehend, was ich für das Wichtigste im Design halte. Wir sind über die ganze Welt verteilt und haben mehrere kleinere Teams, die in strategisch wichtigen Märkten arbeiten, zum Beispiel in China, Amerika und an verschiedenen Orten in Europa. Und auch wenn ich der Teamleiter bin, nehme ich selbst gerne noch den Stift zum Skizzieren in die Hand oder arbeite am Lehmmodell mit.
Wie sind Sie eigentlich Designer geworden?
Meine Design-Leidenschaft begleitet mich bereits seit der Kindheit in São Paulo: Mein Bruder José Carlos und ich skizzierten schon früh Autos. Später schrieben wir Briefe an Volkswagen do Brasil, schickten Skizzen an das Designstudio – und erhielten Antwort vom Chefdesigner! Seine Anmerkungen haben wir umgesetzt, wieder zurückgeschickt, es entwickelte sich ein richtiger Austausch. So hatten wir den Bezug zu Volkswagen seit Kindesbeinen an. Es folgte ein Praktikum, wir studierten beide Design. Während ich 2005 nach Deutschland gekommen bin und seit 2017 dem Exterieur Design der Marke Volkswagen vorstehe, leitet mein Bruder inzwischen das Designstudio von Volkswagen do Brasil – that’s life.
Welches ist die Erkenntnis, die Sie als Autodesigner am meisten geprägt hat?
Was ich aus dieser Anfangszeit für mich mitgenommen habe, ist, dass das Automobildesign weit mehr ist als nur Styling. Wir betrachten das Auto heute als erweiterten Lebensraum. Wie möchte der Kunde das Fahrzeug in seinem Leben nutzen? Was möchte er mit dem Fahrzeug erleben? Welche Emotionen soll das Produkt auslösen? – das sind einige der vielen Fragen, die wir uns im Entstehungsprozess stellen. Ein grosses Team von Designern aus den unterschiedlichsten Bereichen kommt dann zusammen und gestaltet eine Antwort auf all diese Fragen.
Automobildesign ist weit mehr ist als nur Styling. Wir betrachten das Auto als erweiterten Lebensraum.Marco PavoneLeiter Exterior Design
Und woher holen Sie sich Tag für Tag Ihre Inspiration?
Ich bin ein Car-Guy, aber ich lasse mich kaum von Autos inspirieren. Mehr vom Leben: Sport, Architektur, Landschaften. Oder als begeisterter Skater auch von den Formen eines Skateboards oder coolen Sneakers.