Meister des Luftpinsels
Seit über 40 Jahren verwandelt André Marty Helme, Motorräder und Autos in Airbrush-Kunstwerke. Mit einem seiner neusten Projekte, einem California 6.1 in Gestalt eines Hippie-Busses, geht er bald auf grosse Reise.
Der Pausenraum des Ateliers präsentiert sich wie ein Who-is-who der Sportgeschichte. Auf der einen Seite hängen Helme von ehemaligen Formel-1-Grössen wie David Coulthard, Mika Häkkinen oder Damon Hill. Auf der anderen Seite Fotos mit Dankesschreiben, beispielsweise von den Schweizer Töff-Fahrern Tom Lüthi und Dominik Aegerter, aber auch von Prominenten wie Popstar Madonna oder Jean-Paul Belmondo. Und dann sind da die Helme der Skifahrer: Ob Lara Gut-Behrami, Beat Feuz, Corinne Suter oder Didier Cuche – sie alle und viele mehr haben ihre Helme bei Marty Design in Cheyres (FR) veredeln lassen.
Die Sportler erkennbar machen
«Wir geben den Sportlern eine Identität, damit man sie mit den Helmen überhaupt erkennt», sagt André Marty, Geschäftsführer und Inhaber des Schweizer Ateliers mit internationaler Ausstrahlung. Die Designs entstehen in der Regel im engen Austausch mit den Kunden. Sie bringen ihre Ideen ein – und kommen gelegentlich sogar persönlich vorbei, um daran zu feilen. «So sind auch Freundschaften entstanden», betont der Airbrush-Künstler, der von allen Dédé genannt wird.
Der 62-Jährige ist auf seinem Gebiet eine absolute Koryphäe. Doch der Weg dahin war kein einfacher. Als Teenager verlor er seine Eltern bei einem Autounfall, auch drei Brüder verstarben in jungen Jahren. So war er gezwungen, früh selbstständig zu werden. Einer Lehre als Metzger folgte eine Ausbildung zum Karosseriemaler, die er mit der Note 5,9 abschloss. Es kamen erste Aufträge zum Sprayen von Motorrädern, durch Mund-zu-Mund-Propaganda wurden es stetig mehr, bis es zum eigenen Atelier reichte.
130 Stunden Arbeit für den Hippie-Bus
Inzwischen verschönert er seit über 40 Jahren die Oberflächen von Helmen, Motorrädern und Autos. Eines seiner neusten Projekte: ein California 6.1, den er mit farbenfrohen Motiven in einen Hippie-Bus verwandelt hat. Dieser Auftrag war aber kein gewöhnlicher, sondern für eine ganz spezielle Person – seine Frau Katja. Die beiden besuchten im Wallis gemeinsam Kindergarten und Schule, verloren sich danach aus den Augen und haben erst viel später, als beide geschieden waren, wieder zusammengefunden. Auf dem Bus sind denn auch Szenen ihrer Jugend abgebildet: Flowerpower, Peace-Zeichen, Rock’n’Roll, das 68er-Motto «Be Happy». Die moderne Front trägt nun das ikonische Ur-Bulli-Design mit dem V-Einschnitt. Und Katja ist als junges Hippie-Girl auf der Seite zu entdecken.
Über 130 Stunden Arbeit hat Dédé Marty in den Bus gesteckt. Normalerweise würde das rund 15 000 Franken kosten, «aber meiner Frau habe ich natürlich keine Rechnung gestellt», sagt er lachend. Gearbeitet hat er dabei ausschliesslich mit der Airbrush-Pistole, «das hält viel länger als etwa Folien». Der Computer hat zwar auch in seiner Branche Einzug gehalten, doch er arbeitet immer noch hauptsächlich per Hand – von den Skizzen über das Fundieren bis zum Sprayen an sich.
Zwei Motorräder finden im Caddy Maxi Platz
Der Marke Volkswagen ist er ebenfalls schon lange treu. Als Geschäftsauto hat er einen Caddy Maxi, in dem er dank 1500 Kilogramm Zuladung zwei Motorräder stehend transportieren kann – «das ist perfekt für meine Bedürfnisse.» Sein Schmuckstück ist jedoch ein Karman Ghia, den er in leuchtendem Rot und Beige als Kontrastfarbe lackiert hat.
Dédé Marty arbeitet für Kunden rund um den Globus. Aktuellstes Beispiel: An den Olympischen Spielen von Peking diesen Februar waren über 250 Sportler aus 22 verschiedenen Nationen mit seinen Helmdesigns auf Medaillenjagd. Doch er selbst hat bisher kaum etwas von der Welt gesehen. Das soll sich nun ändern. Sobald die Pandemiefolgen überwunden sind und der Auftragsbestand wieder die üblichen rund 500 Helme und 50 Motorräder pro Jahr beträgt, will er sein Geschäft den beiden Söhnen übergeben. «Sie arbeiten bereits tageweise im Atelier und sind ähnlich talentiert wie ich», sagt der Vater stolz. Dann werden Katja und er mit dem California 6.1 auf Reise gehen – Skandinavien steht genauso auf dem Programm wie der Süden mit Griechenland, dem Balkan oder Spanien. Und mit ihrem einzigartigen Hippie-Bus in ganz Europa für Aufsehen sorgen.
Die Airbush-Technik
Wörtlich übersetzt heisst Airbrush «Luftpinsel». Damit ist in erster Linie die Airbrush-Pistole gemeint, mit der Künstler wie André Marty ihre Werke malen. Kaum grösser als ein Kugelschreiber, zerstäubt sie per Luftdruck flüssige Farbe und überträgt diese mittels einer Düse auf geeignete Unterlagen. Über den Luftdruck lässt sich die Gleichmässigkeit des Auftrags variieren: je höher der Druck, desto feiner wird die Farbe zerstäubt. Mit der Airbrush-Technik lassen sich stufenlose Farbübergänge und detaillierte Schattierungen erzielen – fotorealistische Darstellungen sind das Ergebnis.